Politik im Fluss – Artikelaufruf

Call for Papers | 01.01.1970

geschrieben von matthias.weinhold

Flüsse drängen in den Vordergrund: Flussbegradigungen für die Binnenschifffahrt. Talsperren für Stromgewinnung. Fischsterben in der Oder. Zerstörung der Kachowka-Stauanlage am Dnipro-Fluss während des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine. Artensterben und sich verringernde Wasserqualität durch Dämme und Wasserkraftwerke. Sinkende Pegelstände durch anhaltende Dürreperioden. Die Katastrophe im Ahrtal durch Extremwetter. Aber auch: Städte, die sich ihren Flüssen wieder zuwenden. Sanierung der durch Industrialisierung zerstörten Emscher. Einrichten von Fischtreppen an Dämmen, damit Lachse oder Aale wieder die Flüsse bevölkern können. Renaturierungsversuche und das Einrichten von Nationalparks, um Eingriffe in die Flussnatur zu verhindern. Diese wenigen Stichpunkte verweisen auf die zentrale Bedeutung der Flüsse für Verkehrsinfrastrukturen und wirtschaftliche Zusammenhänge, aber auch auf unzählige Krisen und Hoffnungspotenziale. Die genannten Aspekte deuten dabei etwa auf Probleme, die sich durch die Einbringung von Technologien (z.B. zur Energiegewinnung) oder die physische Neugestaltung in Flusslandschaften ergeben. Flüssen kommt dabei gerade auf Grund ihres ökonomischen Stellenwerts eine hohe politische Relevanz zu. Sie sind Gegenstand grenzüberschreitender gesellschaftlicher Aushandlungsprozesse und ebenso eng mit Debatten verbunden, die Fragen von Umweltverschmutzung, Klimakrise und Biodiversitätsverlust betreffen. 

Doch welche Argumentationen, Diskurse und brisanten Potenziale bündeln sich in Flüssen? Wie können Flüsse, ihre Geschichten und die mit ihnen verknüpften Zukunftsvisionen vor dem Hintergrund multipler Gegenwartskrisen eingeordnet werden? Welche Umbrüche waren besonders bedeutsam, wenn es um die Geschichte der politischen und ökonomischen sowie kulturellen Transformationen des 20. und 21. Jahrhunderts geht?

Unter dem Stichwort „Politik im Fluss“ möchten wir Transformationsszenarien und (historische) Zukunftsvisionen von Wasserwegen im Zusammenhang gegenwärtiger, auch klimawandelbedingter Krisen analysieren. Es geht uns um den Blick auf die drängenden Probleme der Fluss-Politiken und deren Konsequenzen, die sich in Zeiten sinkender oder plötzlich steigender Pegelstände entfalten und den Status dieser wichtigen Energielieferanten und Handelswege derzeit in Frage stellen. Zugleich interessieren uns die historischen Entwicklungslinien entlang von Diskursen der Naturbeherrschung und Industrialisierung, die wir im Hinblick auf ihre Folgen für diese fluiden Geographien ausleuchten möchten.

Wir sind interessiert daran, geistes- und sozialwissenschaftliche sowie umweltgeschichtliche und naturwissenschaftliche Sichtweisen in einen Dialog zu bringen und verschiedene Wissensbestände, Öffentlichkeiten und Mediatisierungen zu betrachten: Von naturwissenschaftlichen und technischen Fragen zu Flüssen, ihrer Erforschung und Umgestaltung sowie den sich daraus ergebenden Konsequenzen, über Fragen zur Rolle von politischen und wissenschaftlichen Akteur:innen (wie Klimaaktivist:innen und Bürgerwissenschaften), bis zu ökonomischen Fragen hinsichtlich grüner Energiezukünfte und Problematiken der Renaturierung einbetonierter Wasserwege zur Erhöhung der Biodiversität oder Restaurierung zerstörter Flusslebenswelten kann das Themenspektrum reichen. Neben gesellschaftspolitischen Debatten und historischen Einordnungen sind wissensgeschichtliche und kulturwissenschaftliche Beiträge willkommen, die Deutungsangebote von Flusswelten angesichts von Industrialisierung, Ökonomisierung der Natur und deren politischen Dimensionen in Literatur, Theater, Film und Populärkultur bearbeiten. Wir möchten ein vielfältiges Spektrum von Perspektiven in interdisziplinärer Weise aufarbeiten und die drängende Frage nach Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Flüsse stellen.

Interessierte Autor:innen werden gebeten, bis zum 03.05.2024 einen Themenvorschlag mit einer kurzen Skizze (max. 1 Seite) einzureichen. Senden Sie diesen bitte an redaktion@berlinerdebatte.de. Die Redaktion entscheidet bis Mitte Mai 2024 über die Annahme der Vorschläge.

Der Artikel sollte einen Umfang von 45.000 Zeichen (inkl. Leerzeichen und Literaturliste) nicht überschreiten. Es gelten die Hinweise zur Veröffentlichung (https://www.steiner-verlag.de/brand/Berliner-Debatte-Initial). Einsendeschluss für die fertigen Manuskripte ist der 01.09.2024. Das Heft soll Ende 2024 erscheinen.

Bei Interesse und Fragen wenden Sie sich bitte an redaktion@berlinerdebatte.de.

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